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  • Technische Orthopädie und Silikontechnik in Zürich

Die konservative Behandlung der Scapula alata mit Orthese und Physiotherapie

Das Schulterblatt, auf lateinisch: «Scapula», bildet als flacher, dreieckiger Knochen den hinteren Teil des knöchernen Schultergürtels. Es dient als Muskelursprung und -ansatz und ist rein muskulös mit dem Brustkorb verbunden. Auch der Begriff "alata" stammt aus dem Lateinischen. Dabei bedeutet "ala" soviel wie "Flügel".

Der Begriff "Scapula alata" beschreibt ein Symptom, also ein Anzeichen für eine Erkrankung: eines oder beide Schulterblätter stehen flügelartig vom Brustkorb ab. Man spricht umgangssprachlich auch von Engelsflügeln.
Dahinter können verschiedenste Erkrankungen stehen, die ärztlich zu erfassen und bei Bedarf gezielt zu behandeln sind.

• Als sogenannter "leptosomer Habitus" erscheint die Scapula alata gelegentlich rein körperbaubedingt und nicht behandlungsbedürftig.
• Tumore des Schulterblattes oder der Brustkorbwand können das Schulterblatt äusserst selten nach aussen drücken und flügelartig abstehen lassen.
• Muskelerkrankungen, sogenannte progressive (Duchenne) Muskeldystrophie, Gliedergürteldystrophie oder fazioscapulohumerale Muskeldystrophie können ursächlich sein.
• Infekte können zu einer Scapula alata führen.
• Die Sprengelsche Deformität ist eine seltene angeborene Ursache.
• Neurologische Erkrankungen, wie eine neuralgische Schulteramyotrophie, können ebenfalls hinter dem abstehenden Schulterblatt stecken.
• Häufig ist die Lähmung der schulterblattführenden Muskulatur verantwortlich:
  So kann der eng am Brustkorb liegende lange thoracicus longus Nerv durch Druck geschädigt werden und der von ihm versorgte Serratusmuskel kann das Schulterblatt nicht mehr in Position halten.
  Dies gilt auch für einen Schaden am Accessoriusnerv, weil der anhängende Trapeziusmuskel damit gelähmt ist und das Schulterblatt einen Teil seiner Führung verliert.
  Ist der Nervus dorsalis scapulae erkrankt, entsteht eine Lähmung der Rhomboideimuskeln und das Schulterblatt steht entsprechend ab.

Die konservative Scapula alata Therapie mit Orthese und Physiotherapie ist das Mittel der Wahl, sofern die Lähmung der schulterblattführenden Muskulatur durch reversible Nervenschädigung entstanden ist.

Da es dazu keine einheitliche Behandlungsrichtlinie gab, wurde Mitte der 90er Jahre in Dänemark am Regionshospital Viborg ein konservatives Therapiekonzept entwickelt. Daran waren die Physiotherapeutin Lisbeth Rejsenhus und der Orthopädietechnikermeister Henrik Tingleff beteiligt.

Die Behandlung besteht darin, die physiologische Stellung der Scapula wiederherzustellen, damit die Muskeln ihre normale Länge und Zugrichtung wieder erhalten und eine regelgerechte Funktion der Scapula ermöglicht wird.
Solange der gelähmte Muskel nicht imstande ist, die Scapula zu stabilisieren, trägt der Patient die Scapula alata Orthese, wodurch die Scapula stabil am Körper gehalten wird. In die Scapula alata Orthese ist eine Pelotte zur Unterstützung der Abduktion und Lateralrotation der Scapula integriert.

Solange der geschädigte Nerv regeneriert, wird die gelähmte Muskulatur durch die Orthese unterstützt . Der Patient besucht jede dritte Woche die Physiotherapie, die Pelotte wird eingestellt und die Übungen erweitert. Bei Bedarf muss die Orthese angepasst werden. Die Behandlung mit der Scapula alata Orthese und Physiotherapie dauert im Durchschnitt etwa 9 Monate, aber einzelne Heilverläufe sind kürzer (etwa 6 Monate) und andere deutlich länger (etwa 11 Monate). Unter dieser nichtoperativen Therapie heilen etwa 75% dieser Lähmungen ohne Folgen aus.

Um zu prüfen ob die Scapula alata Behandlung mit Orthese und Physiotherapie medizinisch indiziert ist, sollte ein Schulterspezialist zur Differentialdiagnostik konsultiert werden.

Fallbeispiel zur Scapula alata

Die rechte Seite ist betroffen.

SA_Orthese_frontal.jpg
Die Scapula alata Orthese von vorne.
SA_Orthese_dorsal.jpg
Die Scapula alata Orthese von hinten.
SA_Orthese_rechts.jpg
Die Scapula alata Orthese von rechts.
SA_Orthese_links.jpg
Die Scapula alata Orthese von links.

Serratusbandage

Konstruktion:
Die Serratusbandage verläuft zirkulär um den oberen Brustkorb mit einer Pelotte über dem betreffenden Schulterblatt sowie einem ventralen Gegenhalt auf der entsprechenden Seite.

Funktion:
Diese Konstruktion verhindert ein Abklappen des Schulterblattes bei Ausfall der entsprechenden Muskulatur und ermöglicht so ein Anheben des Armes über 90 Grad.

Indikation:
Scapula alata durch Lähmung des M. serratus anterior (bei einer Läsion des N. thoracicus longus) oder durch Lähmung des M. trapezius (bei einer Läsion des N. accessorius).

Ärtzliche Verordnung: Serratusbandage nach Mass

Serratuslaehmungsorthese.jpg
Serratuslähmungs-Bandage von vorne (a) und hinten (b). (Quelle: Hohmann/Uhlig)

Geradehalter

Konstruktion:
Zwei Achselschlaufen werden nach dorsal gezogen, über dem Rücken gekreuzt und ventral miteinander verbunden. Die einstellbare Druckwirkung bringt die Schultern zurück und unterstützt sowohl die Dehnung der Brustmuskulatur als auch die Kräftigung der Rückenmuskulatur.

Funktion:
Der Geradehalter führt zu einer teilaktiven Aufrichtung der nicht fixierten Kyphose und dient als Mahnbandage und somit als Trainingsgerät zur Unterstützung der Physiotherapie. Der Geradehalter soll nur intervallmässig getragen werden.

Indikation:
Haltungsschwäche.

Ärztliche Verordnung: Geradehalter nach Mass